Orgelfahrt nach Flawil und Winterthur vom Dienstag 21. Juni 2022
Gegen 40 Orgelfreundinnen und Freunde entschlossen sich zur Teilnahme an der Orgelreise, die schon zweimal abgesagt werden musste. Diesmal aber klappte es und auf der Reise nach Flawil und Winterthur führte uns der Gössicar über den Ricken. Es war eine schöne Fahrt ins Grüne und die Kühlung wurde schon bald in Betrieb genommen. Bei sommerlichen Tempe-raturen besichtigten wir die reformierte Kirche „im Feld“, draussen standen Zelte und Festgarnituren, ein eher ungewöhnlicher Anblick. Umso mehr, als die ganze Infrastruktur den Sommer über stehen bleibt als Treffpunkt für die Gemeinde.
Die Kirche, schon von aussen eindrücklich, beeindruckte im Innern durch die besondere Gestaltung sowie Licht- und Farbgebung. Eindrücklich dazu die imposante Orgel, die den Chorraum überspannt. Simon Hebeisens Erklärungen waren sehr informativ, die Flawiler bewiesen Mut und Weitsicht als sie 1911 den berühmten Architekten Karl Moser für den Bau ihrer Kirche engagierten. Der Architekt bestimmte auch das Aussehen der Orgel, die Firma Goll führte den Orgelbau aus.
Dem Jugendstil verpflichtend steht dieses Gesamtkunstwerk da, die Orgel mit pneumatischer Anlage ist ein wichtiger Zeitzeuge. Die Firma Goll durfte dieses kunstvolle Instrument im 2018 in aufwändiger Arbeit restaurieren, es sind alles Originalteile, aber die gut 100-jährigen Lederteilchen mussten genau rekonstruiert und ersetzt werden. Martin Heini gab eine eindrückliche musikalische Einführung in das Instrument, das sich besonders für romantische Literatur und durch einen besonderen Spieltisch auszeichnet. in einem Stück von Liszt liess Martin die Orgelpfeifen in unterschiedlichster Intensität und Klangfarben ertönen, ein wahrer Orchesterklang.
Nach dieser informativen und eindrücklichen Führung war Zeit fürs Mittagessen in der nahe gelegenen Pizzeria, draussen oder drinnen wie gewünscht. Frisch gestärkt ging die Fahrt weiter Richtung Winterthur. Im katholischen Kirchenzentrum St. Urban erwartete uns gespannt eine Delegation der Kirchgemeinde, die sich auf ein Wiedersehen mit Simon Hebeisen und Martin Heini freuten, eine sehr schöne Geste. Das Kirchenzentrum mit Multifunktionsräumen wurde bereits 1970 erbaut, die Goll-Orgel wurde aber erst nach-träglich eingebaut und 2015 eingeweiht. Eindrücklich, wie sich das Kunstwerk in den Beton-bau der Kirche einfügt, nur schon optisch ist sie eine Augenweide.
Eine zusätzliche Herausforderung war auch der Schutz der Orgel, es wurde eine raffinierte Lösung mit Glaselementen gefunden, die automatisch herausgefahren werden können. In 7500 Arbeitsstunden und mit 5.5 Tonnen Material wurde ein Referenzinstrument gebaut, das sich für viele Stilarten eignet. Für uns Zuschauer war auch interessant die Beinarbeit des Organisten zu beobachten, steht doch die Orgel seitlich im Kirchenraum. Martin spielte verschiedenste Stücke von Klassik bis Jazz und gab einen tollen Einblick in die Vielseitigkeit dieses Instrumentes. Nach einer Stunde verliessen wir das einladende Kirchenzentrum und machten uns auf zur letzten Präsentation.
Nach einem kurzen Marsch durch die Winterthurer Altstadt war die Stadtkirche Winterthur unser letztes Ziel. Diese reformierte Kirche überraschte im Innern mit grossflächigen Malereien in satten Farben, dazu die imposante Barockorgel mit vergoldeten Schnitzereien. Was für ein Gegensatz! Simons Erläuterungen waren wiederum sehr hilfreich, die Orgel wurde von E.F. Walcker im Jahre 1887/88 erbaut und ist eine „Secondhand Orgel“ denn der Hauptteil des Gehäuses stammt aus dem Zisterzienserkloster Salem, erbaut 1768 durch Karl Joseph Riepp.
Durch die Reformation wurden Klöster geschlossen und Wertgegenstände verkauft. Es gab ein Orgelverbot, denn für Zwingli war dies Teufelszeugs. Die Winterthurer setzten sich über das Orgelverbot hinweg und erstellten die erste nachreformatorische Orgel. Speziell auch, dass vor der Orgelbaufirma Kuhn vier bekannte Orgelbauer über die Zeit an diesem Instrument gebaut haben. Martin erfreute uns mit Mendelssohns Sonate in A und weiteren Kompositionen, die alle Facetten dieser Orgel zeigte. Die Stadtkirche ist ein wunderbarer Klangraum und wird auch gerne für Konzerte genutzt.
Wir nutzten überall gerne die Gelegenheit, die Orgeln und Martins Orgelspiel von Nahem anzuschauen, der Blick von der Empore ergibt ganz andere Perspektiven. Es war ein sehr interessanter, informativer Ausflug in angenehmer Gesellschaft und guter Stimmung.
Vielen Dank allen, die dazu beigetragen haben. Ein besonderer Dank an geht an Simon und Martin für ihr Engagement und Begeisterung. Nach der Reise ist vor der Reise! Wir sind gespannt, wohin uns der Ausflug nächstes Jahr führt. Bis dahin allen einen schönen Sommer.
Christina Kleeb